Blog | Lieferdienste als Beispiel marktwirtschaftlicher Lösungen

Lieferdienste als Beispiel marktwirtschaftlicher Lösungen

Der Markt regelt. Das ist ein Ausspruch von Liberalen und Libertären, der in seiner Pauschalität einen Erkenntnisgewinn ausdrückt, den jedoch viele Menschen nicht haben. Die Erkenntnis, dass der Markt immer eine Lösung findet, die in den allermeisten Fällen vorher nicht vorstellbar war. Genau an dieser Stelle entsteht das Problem: die breite Masse der Menschen in politischen Demokratien ist es gewöhnt, Lösungen kennen zu müssen und fällt ihnen keine ein, kann es nur der Staat machen. Aus kulturellen und mannigfaltig gesellschaftsideologischen Gründen heraus vertrauen die Menschen in diesem Land dem Staat und demokratischen Abstimmung mehr als der Wirtschaftlichkeit des Marktes. Zu Unrecht, was dieser Artikel aufzeigen soll.

Der Markt und die Unbestimmtheit von Innovationsprozessen

Ohne allzu theoretisch zu werden: Innovation, das heißt neue technische Lösungen, sind in ihrem Aufkommen stets zeitlich und örtlich unbestimmenbar. Anders als es ordoliberale oder planwirtschaftliche Denkschulen vorgeben, können Innovationen weder geplant noch erzwungen werden. Auch ist es eine Lüge zu behaupten, der Staat schaffe erst die Rahmenbedingungen für Innovationen und hätte daraus abgeleitet auch die soziale Verpflichtung, diese durch gesetzlichen Zwang zu steuern. Es ist in vielfältiger gesellschaftlicher Praxis rund um die Welt bereits bewiesen worden, dass sich aus einem Zustand der Abwesenheit eines Staates (Anarchie) nach einer gewissen Zeit von selbst Märkte herausbilden und die Menschen beginnen arbeitsteilig zu leben, Güter zu tauschen und Bedarfe wie Bildung selbstständig und privatwirtschaftlich zu organisieren. Das zeigen Beispiele aus Entwicklungsländern. [1] Menschen auf einem gewissen Entwicklungsniveau erkennen aus sich heraus, dass eine kooperative Arbeitsteilung nützlicher ist als ein Leben in Gewalt und Furcht und damit verbunden stellen sich völlig von alleine gesellschaftliche Regeln, Normen, Sitten und Institutionen ein. Als Beispiel das lex mercatoria. Den Dieb verbannt man aus der Stadt und mit dem unehrlichen Kaufmann wird man nicht mehr handeln. Bis zu diesem Zeitpunkt gibt es immer noch keinen Staat. Dieser tritt historisch immer erst auf den Plan, wenn die Marktwirtschaft das Leben der Menschen bereits verbessert hat.

Der Markt ist die Summe aller zur Mehrung des persönlichen Nutzens handelnden und interagierenden Menschen. Für Libertäre stellt der Markt daher das Äquivalent zu Gesellschaft dar. Der Markt ist die Gesellschaft. Das widerspricht freilich der sozialromantischen Gesellschaftsvorstellung, nach welcher der Staat als Repräsentant eines mystischen Gemeinwesens die Gesellschaft sei („Wir sind der Staat.“). Darum soll es hier aber nicht in der Tiefe gehen. Der Markt ist die Summe allen Wissens und aller Erfahrungen jedes einzelnen Menschen, der sich auf ihm bewegt. Dieses Wissen kanalisiert sich in Innovationen, wenn Ressourcen privatwirtschaftlich verwertet werden. Die Privatisierung von Ressourcen und die zweckgerichtete Verwertung nennt sich Unternehmertum. Das privatwirtschaftliche Unternehmertum ist gemäß dem US-amerikanischen Wissenschafts- und Technikhistoriker Thomas P. Hughes (1923-2014) der Garant für einen effizienten Innovationsprozess. [2] Dabei stellt der Kapitalismus als Wirtschaftsform in Verbindung mit Marktwirtschaft den effizientesten Weg dar, über die preisliche Bewertung von unternehmerischen Entscheidungen (Wirtschaftsrechnung, Kosten-Nutzen-Rechnung etc.) sowie über die Verteilung von Ressourcen über den Preis durch den Markt, Ressourcen derart zu verwerten, dass daraus der maximal mögliche Fortschritt und Wohlstand entsteht.

Wie kann man nur auf die Idee kommen, dass ein Staat, respektive eine Demokratie, diesen Prozess und dessen komplexe interaktive Dynamiken mit ihren unzähligen Interessen auch nur nahe zu kommen, geschweige denn besser zu sein? Diese „Anmaßung von Wissen“ und die damit verbundene Undurchführbarkeit plan- oder gemeinwirtschaftlicher Gesellschaftsformen beschreibt der österreichische Ökonom und Sozialphilosoph Friedrich August von Hayek (1899-1992). [3] Daher verkommt jedwede staatliche (öffentliche) Organisation zu einem quälend langsamen, teuren und qualitativ minderwertigen Prozess (vgl. Allmendeproblematik).

Lieferdienste als marktwirtschaftliche Innovation

In der Zeit der Industrialisierung gab es eine wachsende Anzahl Warenproduzenten und sie alle hatten ein Problem: Wie bekommen sie ihre Waren zum Kunden? Die Menschen sind es, die Gesellschaft schaffen und Lösungen finden. Der Staat bereichert sich nur daran. Hätte es die postmoderne westliche Demokratie mit ihren sozialromantischen Vorstellungen schon zur Zeit der industriellen Revolution gegeben, wir würden heute noch in Manufakturen schufften und mit Kutschen fahren. Die industrielle Revolution war nur möglich, weil der Markt und sein Unternehmertum den Staat und seine Protagonisten im Gesellschaftsleben ersetzt hatten. Bereits zu jener Zeit hatte der Markt die Bildung der Menschen durch Privatschulen verbessert, bevor der Staat öffentliche Schulen schuf. [4]

Im Zusammenhang mit den industriellen Warenproduzenten erfand der Markt zunächst das Warenhaus und dann die Lieferdienste. Um also die Waren an den Konsumenten zu bringen, etablierte sich gemäß der Ausführung von Thomas. P. Hughes über marktwirtschaftliche Prozesse eine Kombination aus einzelnen Innovationen und ihren unternehmerischen Akteuren, um dieses Problem zu lösen. Damit verbunden auch das nötige Finanzierungsmodell – für postmoderne Demokraten unvorstellbar. Der Warenproduzent liefert oder lässt seine Produkte an ein Warenhaus liefern, der Warenhausbetreiber erhält einen Abschlag vom Gewinn aus dem Verkauf. Beide kamen vorher vertraglich überein, diese Arbeitsteilung kooperativ zu organisieren. Für den Produzenten war es wirtschaftlicher einen Spezialisten zu beauftragen, anstatt einen neuen Unternehmenszweig zu organisieren. Dieser Grundsatz gilt unverändert. Es entstanden immer mehr Warenhäuser und die Menschen hatten nun die Produkte schneller verfügbar. Später, als die Warenmenge wuchs und die Menschen deren Verfügbarkeit noch stärker nachfragten, etablierten sich Lieferdienste, welche die Waren entweder vom Hersteller oder aus den Warenhäusern heraus direkt zu den Konsumenten brachten. Auch hier gingen Warenproduzent und der neue Lieferdienst eine vertragliche Kooperation ein, und auch hier gab es bald darauf viele neue Lieferdienste am Markt. Später entwickelte sich dies zu Logistiksystemen. Betreiber von Logistikzentren und Lagern kamen dazu, welche die Warenverteilung für die Produzenten übernahmen. Dies alles fernab einer staatlichen Kontrolle oder Planung, rein aus den Individualinteresse von Produzenten und Konsumenten heraus. In der Postmoderne führten neue Kommunikationstechnologien dann zur Innovation des Online-Handels.

Diesen Prozess aus Innovationen und gesellschaftlichen Transformationen (neue Wirtschaftssektoren, neue Tätigkeitsfelder, neue Infrastrukturanforderungen, neue Arten zu Leben etc.) beschreibt der sowjetische Wirtschaftswissenschaftler Nikolai Dmitrijewitsch Kondratjew in seiner Theorie des nach ihm später benannten „Kondratjew-Zyklus“. [5] Demnach führen derlei technologische Innovationen (Dampfmaschine, Elektrizität, Stahl etc.) zu Veränderungen in den gesellschaftlichen Strukturen und Automatisierung in den Wirtschaftssektoren. Bezogen auf den Dienstleistungssektor bedeutet dies, dass diese Aufgabe bald Drohnen oder andere automatisierte Systeme die Notwendigkeit der ineffizienten menschlichen Arbeit ersetzen. Genau diese Veränderungen kann die Sozialromantik mit ihren fixen Gesellschaftsvorstellungen nicht abbilden und reagiert mit gemeinwirtschaftlichen Organisationsformen darauf, die dann jene Innovationsprozesse durch die „Anmaßung von Wissen“ zerstören.

Londons Pferdescheiße und die staatsbürgerliche Wissensanmaßung

Ein weiteres Beispiel zu Illustration. Im 19. Jahrhundert versanken Londons Straßen in Pferdescheiße. Der Rufe der Öffentlichkeit wurde laut eine Lösung zu finden. [6] Der Staat griff ein, regulierte und plante, konnte jedoch das Problem trotz umfänglichen Ausgaben nicht lösen. Wie beschrieben, bedingen zunächst natürliche Notwendigkeiten das Einsetzen einer marktwirtschaftlichen Innovation. Diese setzte im industriellen London durch den Verbrennungsmotor ein, welcher das Problem der Pferdescheiße auf den Straßen löste. Der FDP-Wähler mag nun einwerfen, dass dies erst durch den Staat ermöglicht wurde, weshalb dieser stets in der Verantwortung sei „den Rahmen“ für Innovationen zu schaffen. Doch der Staat verschwendete in diesem Beispiel Unsummen an Steuergeldern, während Politiker und „Experten“ darüber debattierten, welche Lösungen es geben kann, ohne dass das Problem gelöst werden konnte. Es war der Markt, der das Problem letzten Endes löste. Entgegen der Behauptungen des FDP-Wählers hat der Staat gar ein Problem verschlimmert und der Markt hat es dennoch lösen können. Jeder Versuch den Innovationsprozess des Marktes politisch zu steuern, schafft Probleme, welcher der Markt versucht ist zu lösen. Aber diese Probleme haben keine natürlichen Ursachen, entstanden aus politischer Intervention in Wirtschaftsprozesse. Die Marktlösung entspricht dann lediglich dem Versuch in einem durch den Staat hervorgerufenen unwirtschaftlichen Rahmen die wirtschaftlichste Lösung zu finden. Das politische Konzept der sogenannten „Freien Demokraten“ (FDP).

Der Denkfehler, denn Etatisten in ihrer Unbelehrbarkeit aufweisen, ist zu glauben, dass dieselben Marktmechanismen bei unterschiedlichen Dienstleistungen auch unterschiedlich funktionieren, bis dahin, dass sie gar nicht funktionieren und es keine Lösung gibt, es daher den Staat braucht. Nur weil der Markt an einer Stelle eine gute Lösung präsentiert, muss das nicht für alle Stellen gelten. Doch, tut es, denn der Innovationsmechanismus ist derselbe. Die Anmaßung von Wissen tritt hier stets zu Tage und bricht sie sich in Politik und staatlicher Intervention bahn, sind stets größere gesellschaftliche Verwerfungen die Folge. Es gibt heute noch viele namenhafte Intellektuelle in Deutschland, wohl ob im Fachgebiet der Ökonomie beheimatet, dennoch nicht willens alle gesellschaftlichen Aspekte dem Markt zu überlassen. Es scheint so, dass gerade die Schicht der Intellektuellen eine besondere Tendenz dazu aufweist, in ihren Laboren und Schreibstuben der „Anmaßung von Wissen“ zu verfallen und überzeugt zu sein, dass wenn sie keine Lösung wissen, es Millionen andere Menschen auf der Straße auch nicht vermögen. Und jene Menschen auf der anderen Seite sind wiederum davon überzeugt, dass die „Experten“, weil sie doch so abstrakt und intellektuell daherreden, mehr wissen müssten, als sie selbst und die Verantwortung daher an sie und politische Gremien abgeben. Man glaubt vermeidlich, dass ein demokratischer Prozess einem Marktprozess überlegen sei und auf wundersame Weise Kompetenz generiere, auch wenn keiner der Abstimmenden außer, dass er Steuern zahlt, ein Shareholder jener spezifischen Unternehmung ist, über deren Strategie er mit Hunderttausenden anderen gerade abstimmt. Wenn es schiefgeht, werden die Kosten schlichtweg vergemeinschaftet. Was in Vollendung einer Planwirtschaft auch den kompletten Ruin einer Gesellschaft bedeuten kann, siehe das Ergebnis aller gemeinwirtschaftlichen Experimente bisher.

Die Anmaßung von Wissen ist eine der bedeutendsten Ursachen gesellschaftlicher Verwerfungen und warum viele Menschen immer noch überzeugt sind, dass der Staat an wesentlichen gesellschaftlichen Stellen regulierend eingreifen muss. Die Paradoxie: Die Furcht, der Markt fände keine Lösung, welche den Staat in die Planung setzt, schafft erst genau den Zustand, den man verhindern wollte. Staatliche Regulierungen haben einen Preis, welchen eine Gesellschaft zahlt, und dieser Preis wird in ausbleibenden Innovationen und der Zerstörung von Wohlstandspotentialen entrichtet. Anders ausgedrückt: Der Staat ist eine mystifizierte Idee, die außer auf emotionaler Ebene, keinerlei objektiven Nutzen für eine Gesellschaft hat, die nach Prosperität und Nachhaltigkeit strebt.

Libertäre und die Frage, wer dann die Straßen bauten

Das Thema Straßenbau und –finanzierung stellt ein weiteres, prominentes Paradebeispiel dafür dar, welche Schwierigkeiten es den Anhängern der Sozialdemokratie macht, in markwirtschaftlichen Innovationsprozessen zu denken. Als Libertäre vertrauen wir diesen Prozessen und wissen aus den oben genannten Erkenntnissen heraus, dass der Markt immer eine Lösung finden wird, wir diese Lösung aber unmöglich kennen oder antizipieren können, wenn wir uns nicht der „Anmaßung von Wissen“ schuldig machen wollen. Da der Libertarismus eine Zurückdrängung des Staates aus Zivilgesellschaft und Markt anstrebt, besteht hier gleichsam die Forderung der Privatisierung der Infrastruktur, sprich eine Organisation der Straßen, ihrer Nutzung und Finanzierung, über privatwirtschaftliche Interessen, gemäß dem Beispiel zu den Lieferdiensten. Dass dies praktisch möglich ist, beweist nicht nur die Geschichte, sondern wird vom US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Walter E. Block dargelegt. [7] Anhand öffentlicher Plätze wurde es in New York erfolgreich erprobt. [8] Wenngleich viele Anhänger der kollektiven Staatstheorie bereits erkannt haben, dass der Markt in 95% aller Fälle die besseren Lösungen anbietet und dass gerade die sind, die man nicht antizipieren konnte, wird dennoch darauf verwiesen, dass es elementare gesellschaftliche Grundlagen gibt, die nicht dem Markt überlassen werden dürfen. Dazu gehört die Straßeninfrastruktur genauso wie Gesundheit oder Bildung. Die bisherigen Darlegungen bezeugen, dass dies nur eine unbewiesene Behauptung ist. Der Markt funktioniert bei diesen Gütern genauso, wie bei allen anderen auch: Verschiedene private Interessen kommen zusammen und finden eine Lösung. In dem Fall Straßennutzer, Straßenplaner und Straßenbetreiber sowie Versicherungen.

Nur wird Libertären bei der Aussage der Entstaatlichung der Infrastruktur oft die Frage gestellt, wie sie denn ein Sammelsurium privater Straßenabschnitte finanzieren wollten. Das ist in etwa so, als frage man einen Sozialisten, wie man eine kapitalistische Ökonomie organisieren sollte. Libertäre nehmen die Lösungen des Marktes nicht vorweg und verweisen daher auf den Markt als Hort der Lösungsfindung. Sie treten daher für die unbedingte Freiheit des Marktes ein. Jene Menschen, die es jedoch gewohnt sind zu meinen, demokratische Abstimmungen schaffen auf wundersame Weise Kompetenzen, können sich nicht mit dieser Aussage begnügen, denn ihnen wurde bisher beigebracht, dass sie die Lösungen kennen müssen respektive die von ihnen gewählten Politiker (“Experten“) diese Lösungen kennen. Was sie freilich nicht tun und auch mangels wirtschaftlichen Handelns auch nicht können. Man findet an dieser Stelle den starken Antagonismus zwischen den individualistischen libertären Überzeugungen, welche den freien Fortschritt als etwas Positives betrachten, und den vorherrschenden kollektivistischen Überzeugungen, welche stets Angst vor dem Unbekannten und Unbestimmten schüren, welches sich wiederum anschickt den romantisierten Gesellschaftsutopien zu widersprechen. Libertäre könnten versuchen die Frage zu beantworten, indem sie Modelle entwickeln, die sich dann politisch verkaufen lassen. Aber dies wäre unehrlich, würde der Markt doch unter Umständen zu gänzlich anderen Lösungen finden. So gestaltet es sich bei allen Fragen zu gesellschaftlichen Themen, bei welchen Libertäre dazu genötigt werden zwar den Staat als Organisator zu verneinen, aber das dem Etatismus zugrundliegende Denken anzuwenden, indem sie Lösungen präsentieren.

Aus diesem Grund stellt eine libertäre Partei einen Widerspruch zur libertären Lebensphilosophie dar. Libertarismus ist keine politische Ideologie, die gesellschaftliche Utopien propagiert. Es ist eine Lebensphilosophie, welche auf der Selbstbestimmung des Menschen fußend, auf seine Schöpfungskraft vertraut, allein aus dem privaten Antrieb heraus sich verbessern zu wollen, Innovationen durch Arbeitsteilung schafft, indem sich komplexe und interaktive soziale Systeme unzähliger Marktteilnehmer spontan bilden. [9]

Fazit

Die dem genannten Beispiel zugrundeliegenden Zusammenhänge sind auf alle gesellschaftlichen Entwicklungen anwendbar. Der Markt als Form der Agora, wo sich alle gesellschaftlichen Akteure treffen und zur Maximierung des persönlichen Nutzens kooperieren, stellt den besten Weg für Innovationen und Lösungsfindung dar. Die Idee, der Staat habe Wissen, welches der Einzelne nicht habe und welches er durch Demokratie freisetzt, ist genauso lächerlich wie belegbar falsch. Der Staat schafft auch keinen Rahmen für den Markt, denn in Situationen der Anarchie ist es stets der Markt, der sich zuerst etabliert. Die Menschen kooperieren und handeln mit einander, ohne, dass sie ein Gesetz dazu zwingen muss, und sie schaffen aus diesen Interaktionen heraus nützliche Regeln, Normen und Institutionen. Das Erkennen, dass der Mensch durch Eigenverantwortung und aus dem Egoismus heraus seinen Nutzen zu mehren, sinnvolle und effiziente Lösungen findet, geht jedoch jenen Denkschulen ab, welche den Staat als unbedingten Herrscher eines geordneten gesellschaftlichen Lebens betrachten (vgl. Johann Gottlieb Fichte). Diese Denkrichtungen – der deutschen Romantik entspringend – sind davon überzeugt, dass eine soziale Existenz des Menschen ohne den Staat in anarchischen Zuständen undenkbar sein – aller praktischen Widerlegungen zum Trotz. Nichts kann existieren, was sie sich in ihrer „Anmaßung von Wissen“ nicht vorstellen können. Die politische Praxis dieser tatsächlichen Ideologie führte in der Vergangenheit und führt in der Gegenwart zur Vernichtung von Innovationsprozessen und Wohlstand, und lässt eine Gesellschaft im Vergleich zu liberaleren Ansätzen immer rückschrittlicher werden.

Das Scheitern der Planwirtschaft ist allseits bekannt. Jedoch weniger bekannt ist die Tatsache, dass jeder Schritt in Richtung vollendeter Planwirtschaft das Ausmaß dieser Entwicklung erhöht. Es ist nicht so, dass 50% Planwirtschaft, beispielsweise als Infrastrukturpolitik, keinen negativen Effekt auf die Innovationskraft haben. Das zeigt allein schon das völlige Verschlafen der digitalen Revolution in Deutschland, weshalb derlei Lösungen im Alltag nicht zur Verfügung stehen. Innovationsprozesse setzen stets dann ein, wenn die vorherige Technologie ausgereizt wurde oder Ressourcen knapper und damit teurer werden (s. Londons Pferdescheiße). Privatwirtschaft ist dafür unabdingbar. Bleibt dieser Prozess durch einen staatlichen Eingriff aus, während gleichzeitig andere gesellschaftliche Entwicklungen voranschreiten, die dann aber keinen Zugriff auf diese Innovation haben, führt dies zu Verwerfungen und Konflikten und letzten Endes zu Armut und Verelendung der Menschen. So kann heute niemand wissen, wie der Markt den öffentlichen Nahverkehr verändert hätte, hätte der Staat nicht vorher eingegriffen und ihn verstaatlicht. Daher befindet sich diese Infrastruktur heute noch im Zustand von vor 100 Jahren („Eisenbahn“), während gleichzeitig das Mobilitätsaufgebot wuchs und die Straßeninfrastruktur überlastet wurde. Heute greift der Staat wieder ein und sanktioniert oder verbietet Formen der Mobilität aus umweltromantischer Ideologien heraus. Doch nicht jedes Problem, welches der Staat präsentiert, ist auch eines. Den gleichen Effekt findet man bei allen gesellschaftlichen Themen, welche nicht dem Markt, sondern der Politik unterworfen sind. Sei es Bildung, Gesundheit oder Energie. Aktuell das Thema des Verbotes der Kernkraft, was zu einem Mangel an billiger Energie und einer immer stärkeren Abwanderung von deutscher Industrie ins Ausland führt. Energie wird durch den Staat zum knappen Gut gemacht. Im Kontrast dazu ist der Kommunikationstechnologiemarkt weitgehend frei vom Staat und daher einer der innovativsten Märkte weltweit. In Deutschland ist jedoch keines der weltbekannten Kommunikations- oder Elektronikunternehmen mehr beheimatet.

Der Schluss kann daher nur lauten, dass jedes Mal, wenn die Menschen aus Unwissenheit und Mangel an Vertrauen in den Markt meinen, der Staat müsse etwas organisieren, Fortschritt und Wohlstand vernichtet werden. Es ist paradox, wenn auch nicht unerklärbar, dass die Angst vor sozialer Verelendung, welche zu einem falschen Vertrauen in staatliche Sicherheit führt, erst die soziale Verelendung herbeiführt.

Quellen

[1] James Tooley: The Beautiful Tree: A personal journey into how the world’s poorest people are educating themselves. Cato Institute, 20. August 2013
[2] Thomas P. Hughes: The Development of Large Technical Systems. Campus Verlag, Frankfurt am Main; Westview Press, Boulder, CO 1988.
[3] Friedrich August Hayek: The Use of Knowledge in Society. In: The American Economic Review. Band 35, Nr. 4, 1945
[4] E. G. West: Education and the Industrial Revolution. Liberty Fund, Inc.; 2. Edition, 24. Januar 2001
[5] Nikolai Dmitrijewitsch Kondratjew: Die langen Wellen der Konjunktur, in Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, S. 56ff (1926)
[6] https://www.sueddeutsche.de/kultur/london-autofrei-innenstadt-kutsche-verkehrswende-1900-1.5424495, Letzter Zugriff: 17.06.2023, 21:00 Uhr
[7] The Privatization of Roads and Highways: Human and Economic Factors: Legare Street Press, 26. Oktober 2022
[8] www.youtube.com/watch?v=sxEwjzFA2GA, Letzter Zugriff: 21.05.2023, 21:58 Uhr
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Spontane_Ordnung, Letzter Zugriff: 21.05.2023, 21:58 Uhr

Julian Schloddarick
ist Mitbegründer und Bundesvorsitzender der
Partei DIE LIBERTÄREN