Blog | Der Weg der Nichtaggression
Der Weg der Nichtaggression
Das „Nichtaggressionsprinzip“ stellt die Handlungsgrundlage libertärer Überzeugungen dar. Alle libertären Argumente gegenüber gesellschaftlichen Organisationen und Entwicklungen, seien sie präferiert oder kritisiert, beruhen auf der Anwendung dieses Prinzips. Aus diesem Prinzip leitet sich das von Libertären präferierte Gesellschaftsmodell des „Voluntarismus“ her, sprich die Überzeugung, dass eine Gesellschaft nur dann moralisch und prosperierend sein kann, wenn die Interaktionen der Menschen, die sie mit ihrem Handeln ausmachen, auf Freiwilligkeit beruhen. Kritiker des Nichtaggressionsprinzips – seien sie aus dem linken oder rechten Lager – werden von Libertären daher oft herausgefordert zu erklären, warum sie davon überzeugt sind, dass die Initiierung von Gewalt notwendig für das Funktionieren einer Gesellschaft sei und wie sie verhindern wollen, dass institutionalisierte und organisierte Gewalt, wie sie der Staat darstellt, die Falschen anzieht, welche nach immer mehr Macht streben. Die Antwort stellt dabei oft ein Paradoxon dar, wird doch der Staat damit begründet, dass der Mensch gewalttätig und asozial sei, wenn ihn keine Gegengewalt züchtige. Doch denselben Menschen, denen man dieses Merkmal nachsagt, gibt man mit dem Staat ein Gewaltmonopol in die Hand, welches sie ansonsten nicht hätten.
Menschenbilder im Gegensatz
Der Libertarismus geht davon aus, dass jeder Mensch vernünftig und rational handelt, wenn er für sein Handeln, sprich für den Einsatz der Mittel und für die Risiken und Kosten, persönliche Verantwortung trägt. Daher argumentieren Libertäre für eine vollständige Privatisierung aller gesellschaftlichen Aspekte. Ein Mensch, der die (zumeist geraubten) Mittel anderer Menschen einsetzt und die Kosten abwälzt, kann keine nützlichen Entscheidungen treffen, da er dafür kein Motiv hat. Kein Mensch möchte Verlust erleiden (Eigentum zu besitzen und dessen Wert zu mehren ist also Urinstinkt des Menschen) und diese Angst vor persönlicher Verelendung ist die Triebkraft nutzenstiftender rationaler Entscheidungen, welche Libertäre mit Wirtschaftlichkeit bemessen. Der Kapitalismus stellt hierbei das präferierte Prinzip ökonomischen und gesellschaftlichen Handelns dar, da es auf Privateigentum und wirtschaftlichen Messmethoden beruht. Das ist vereinfacht die Erklärung, warum Politik und Behörden niemals etwas anderes sein können, als Verschwendung von Ressourcen durch schlechte Entscheidungen. Denn sie setzen Geld ein, welches sie nicht selbst erarbeitet haben, und vergemeinschaften die Kosten ihrer Entscheidungen. Anders der Unternehmer (gemeint sind hier alle Menschen, die nutzenstiftende Ziele verfolgen und sich zu diesem Zweck organisieren), welcher Privatkapital und wirtschaftliche Methoden der Zinsermittlung einsetzt, um Verluste zu vermeiden und den Gewinn (Verzinsung des Eigenkapitals) zu maximieren. Der Unternehmer handelt wirtschaftlich, der Politiker nicht.
Die Anhänger des Staates, mehrheitlich in ihrer Ideologie bestimmt durch die deutsche Sozialromantik, setzen mangels rationaler Erklärungsmodelle menschlichen Handelns, wie sie beispielsweise der österreichische Ökonom Ludwig von Mises anbringt, romantische, gar mystifizierte Krücken wie das Gemeinwohl ein, um jene Handlungslogik zu widerlegen. Sie meinen, wenn ein Mensch oder ein Politiker dem Gemeinwohl diene, werde sein Handeln auf wundersame Weise von derlei negativen Instinkten gereinigt und er täte Gutes. Dem ist nicht der Fall. Das Gemeinwohl ist eine Fiktion, abgeleitet aus der Romantisierung archaischer Gesellschaftsmodelle durch die Lyriker und Dichter der Sozialromantik, die in ihren isolierten Kammern, fernab jedweder Lebenswirklichkeit, keinerlei ökonomisches oder praktisches Wissen anzubringen vermochten. Der verstorbene deutsche Ökonom Roland Baader beschreibt diese Zusammenhänge in seinem Werk „Totgedacht: Warum Intellektuelle unsere Welt zerstören“ aus dem Jahre 2002. Das Menschenbild der von Libertären als „Etatisten“ bezeichneten Gruppe der Staatsanhänger ist negativ, das heißt in praxi autoritär und latent totalitär. Sie sind davon überzeugt, dass der Mensch den Staat bräuchte, weil er sich in seinem Egoismus sonst selbst zerstöre, was nichts anderes bedeutet, als dass alles menschliche Sein auf Gewalt fußt, gar das soziale Miteinander unter einem solchen Staat durch Gewalt definiert wird. Freiwilligkeit kommt als Prinzip in dieser Ideologie des allgegenwärtigen staatlichen Fürsorgers nicht vor.
Die romantische Gesellschaft im Vergleich
Das Menschenbild der Sozialromantik, welches historisch eine Reaktion auf die Aufklärung und die industrielle Revolution darstellte, kann sich nicht vorstellen, dass eine Gesellschaft allein auf dem Prinzip der Freiwilligkeit fußen kann. Denn dies bedeute die Aufgabe von Kontrolle. Die Sozialromantik tendiert dazu, bestimmte romantisierte Zustände der Gesellschaft als unumstößlich, ja gottgewollt, festzuschreiben. Paradoxer Weise stellen diese sich niemals von alleine ein, sondern brauchen stets staatliche Gewalt – der Mensch sei also von Natur aus schlecht. Dieses Bild sei hier bewusst bemüht, denn es soll beschreiben, woher diese Ideologie kommt. Sozialromantik verhält sich zu Libertarismus, wie religiöser Absolutismus zu Evolution. Dieses Denken bestimmt unbewusst die Mehrheit der Menschen in diesem Land, weshalb sie bei jedem aufkommenden Problem versuchen selbst eine Lösung zu finden, selbst dann, wenn sie fachlich oder kognitiv dazu nicht in der Lage sind. Wenn sie zu keiner kommen, folgt unweigerlich der Schluss, dass es keine gäbe und es daher den Staat bräuchte. Der Sozialromantik wohnt die Angst vor dem Unbekannten genauso inne, wie der Drang alles kontrollieren zu müssen.
Die Gesellschaft wird vergöttlicht, ihre Herren in Form der Politiker im engeren Sinne, oder in Form der Demokratie im weiteren Sinne, handeln nach Gottes Willen. Denn auch bei der Demokratie nimmt man an, dass trotz völliger Abwesenheit von Eigenverantwortung, die Mehrheitsentscheidungen irgendwie – keiner weiß wie – zu nützlichen Ergebnissen für alle führen. Mit Nichten war es so, dass nach dem „Tode Gottes“, wie es der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche ausdrückte, die Menschen sich in ihrem Atheismus der Rationalität und der Vernunft zuwandten. Sie schufen eine Ersatzreligion, jene des Staates. Eine solche Gesellschaft führt mit sich ebenso eine gewisse kollektive Mentalität, das heißt die ständige Furcht vor evolutionären Umweltveränderungen wie dem Wetter (heute „Klima“), die Furcht vor dem technologischen Fortschritt („Atomkraft? Nein danke“), die Furcht vor gesellschaftlichen Transformationsprozessen aufgrund des technologischen Fortschrittes (Änderung der Demographie) und so weiter. All dem muss staatlich begegnet werden oder die Welt geht unter. Im Einzelnen sind die Menschen jener Gesellschaft stark risikoavers, unselbstständig und unmündig, ängstlich gegenüber jeder Form von Freiheit und Selbstbestimmung sowie sicherheitsbedürftig.
Die voluntaristische Gesellschaft im Vergleich
Libertäre sind Anhänger des Modells der „spontanen Ordnung“. Ein anderer Begriff dafür ist schlichtweg „Evolution“. Biologisch ausgedrückt heißt das, dass sich ein Organismus eigenständig und stetig an sich ändernde Umweltbedingungen anpasst, um zu überleben. Anders als Sozialromantiker, betrachten Libertäre die Gesellschaft nicht als mystifizierte, nebulöse Gestalt, sondern als die Summe handelnder Menschen, und der Raum, in welchem die Menschen handeln, nennt sich „Markt“. Daher setzen Libertäre oftmals Gesellschaft und Marktwirtschaft gleich und erklären gesellschaftliche Prozesse über Marktprozesse. Gesellschaft ist hier keine eigenständige Entität und Libertäre lehnen daher das Konzept kollektiver Rechte ab. Es existiert im libertären Denken also so etwas wie Gemeinwohl nicht, dem eine Kaste von Politikern und deren Staat angeblich dienlich ist. Gesellschaft ist die Summe aller interaktiven Interessen der Menschen, die sie ausmachen. Innerhalb dieser Interaktionen mögen sich nützliche Institutionen und Organisationen bilden, manche mögen zu Sitten und andere gar zu Traditionen werden. Wieder andere verschwinden, weil sie keinen Nutzen mehr haben. Die Gesellschaft ordnet sich also spontan und ist in dieser Dynamik stabiler und anpassungsfähiger.
Libertäre werden oftmals gefragt, wie sie bestimmte Probleme lösen würden, und ihnen steht dann nicht selten ein sozialromantisches Menschenbild gegenüber. Das heißt, der Fragesteller erwartet eine Lösung, wie sie in Parlamenten durch Mehrheitsentscheidungen getroffen würde, wohingegen Libertäre oftmals keine anbieten wollen, da sie auf die Kräfte des Marktes vertrauen, die sie in Anerkennung ihrer Komplexität jedoch nicht zu kennen einräumen. Der Grund ist der, dass die Anhänger des Prinzips der spontanen Ordnung – also der Evolution – wissen, dass man Innovationen weder örtlich noch zeitlich determinieren kann. Sie wollen keine Kontrolle ausüben. Jede Prognose geht stets von einer Fortschreibung des Ist-Zustandes aus, ignoriert aber den unbestimmbaren Faktor der Innovation. Wenn jemand dennoch meint, er wisse die beste Lösung für alle, dann nennen Libertäre dies die „Anmaßung von Wissen“. Aber einer Sache sind sich Libertäre gewiss: das beste Modell, um Innovationen jeder Art hervorzubringen und umzusetzen, und damit die besten Lösungen zu finden, ist die kapitalistische oder freie Marktwirtschaft. Eine solche Gesellschaft bringt andere Mentalitäten hervor, die im krassen Gegensatz zur sozialromantischen Gesellschaft stehen: Mut, das Erkennen und Suchen von Herausforderungen als Weg des persönlichen Wachstums, Risikobereitschaft, Unabhängigkeitswillen und ein Streben nach Selbstverbesserung.
Nützlichkeit und Wettbewerb
Staat und Politik dienen also, wie beschrieben, reinen romantischen Ideologien und keinen rationalen Überlegungen von Gewinn und Verlust – oder Nützlichkeit. Präziser ausgedrückt, die gesamte Legitimität des Staates fußt auf dem (ersatz-)religiösen Glauben von einer Idealgesellschaft, die es gilt herzustellen – aus Angst vor der Entrückung. Es gibt objektiv, das heißt empirisch (beispielsweise durch Gewinn- und Verlustrechnung) keinen Mehrwert für die Unterhaltung eines Staates. Jedweder Mehrwert der Existenz von Politik und Behörden speist sich allein aus romantischen Vorstellungen von Gesellschaft und dem Streben nach Kontrolle. Diese also objektiv nutzlose Tätigkeit finanziert sich durch die gewaltsame Abschöpfung von Wohlstand (Steuern), der vorher durch nützliche Arbeit und rationalen Entscheidungen auf Grundlage von Eigenverantwortung geschaffen wird. Sprich, durch die Ausbeutung von Arbeit. Wo einst der Staat noch eine Schutzfunktion einnahm und sich entfernt aus den archaischen Stammeskulturen heraus entwickelte – welche von jenen Sozialromantikern als Gesellschaftsideal gesetzt werden – da sind heute alle menschlichen Bedürfnisse bis hin zur Sicherheit über die Marktwirtschaft bedienbar. Die Marktwirtschaft überwand den archaischen Kollektivismus und emanzipierte das Individuum von der Notwendigkeit fremder Herrschaft. Es ist gar der Staat, als Überbleibsel dieser, welcher durch seine Existenz ständig Wohlstand und Fortschritt sabotiert und die Menschen in Armut hält, die ohne seinen ständigen anmaßenden Interventionismus in Gesellschaft und Wirtschaft längst überwunden worden wären.
Ja, eine voluntaristische Gesellschaft führt nicht zur Gleichheit. Denn Gleichheit ist eine romantische Fiktion ohne Nutzen. Jede evolutionäre Dynamik funktioniert über Ungleichheit, denn Gleichheit ist kein Naturzustand. So mag beispielhaft der arme Mensch im reichen Menschen ein Leitbild sehen, sich selbst und sein Leben zu verbessern, indem er dessen Charaktermerkmale studiert, die ihn zum Erfolg führten. Daraus entwickeln sich bestimmte präferierte Tugenden (Klugheit, Fleiß, Disziplin), denen nachgesagt wird persönlichen Erfolg zu garantieren. Aus diesen Tugenden werden vielleicht irgendwann Sitten und Werte (Arbeitsethos) und aus ihnen wiederum gesellschaftliche Institutionen. An dieser Stelle kann eine libertäre Gesellschaft durchaus konservativ sein, wenn jene Sitten und Werte fortgetragen und bewahrt werden. Was eine solche Gesellschaft jedoch ausmacht, ist die Nützlichkeit solcher Institutionen, die in der Praxis gesellschaftlicher Interaktionen herauskristallisiert wird – durch Wettbewerb. Der Wettbewerb – also die Abwesenheit von Zwang – ist die maßgebliche Triebkraft einer spontanen Ordnung, ein ständiger Fortschritt durch Konfrontation von Ideen mit messbaren Nützlichkeiten. Das schließt in keinster Weise aus, dass Menschen eher der Gewohnheit den Vorschub leisten und solche gesellschaftlichen Institution zur Tradition werden lassen. Aber es ist nicht die Regel.
Opferbereitschaft
Opferbereitschaft? Was hat dieses Thema mit Libertarismus zu tun, werden sich manche fragen. Es dient der tieferen Erläuterung des genannten Konzeptes von Gesellschaft. Ein Opfer zu erbringen bedeutet, etwas von sich aufzugeben, ohne etwas dafür zu bekommen. Sozialromantiker verachten jede Form des Egoismus, sehen ihn als jene Kraft im Menschen, welche die Welt zerstören wird, sofern sie nicht vom Staat gezüchtigt wird, um daraus das Gemeinwohl erwachsen zu lassen. Libertäre sind aus oben genannten Gründen Advokaten des Egoismus, denn eigenverantwortliches Handeln kann nur durch einen Ich-Bezug und die daraus abgeleiteten individuellen Interessen definiert werden. Doch dieser Ich-Bezug kann auch Opferbereitschaft bedeuten, wenn das handelnde Individuum zu dem Schluss kommt, dass der Nutzen jenes Opfer aufwiegt. Sozialromantiker zelebrieren das gesellschaftliche Kollektiv als eigenständige Entität, welche den Egoismus überwindet. Das Gemeinwohl sei hier der höchste Nutzen, der Einzelne diene ihm („Gemeinnutz vor Eigennutz“). Anders ausgedrückt, der erzwungene Frondienst zu Erreichung des sozialen Paradieses.
Wohingegen sich der Egoismus nach Innen auf die eigene, individuelle Entwicklung richtet. Das höhere Ziel findet sich hier in einem selbst und nicht in einer aufgezwungenen Fiktion. Anders ausgedrückt, der Egoismus ruft dazu auf sich mit sich selbst auseinander zu setzen, den eigenen Wert zu erkennen, die eigenen Ziele im Leben auszuloten und sich selbst zu verbessern. Dazu kann auch Wohltätigkeit gehören, also die Bereitschaft etwas für andere zu opfern. Daher sehen Libertäre einzig in freiwilliger, das heißt eigenverantwortlicher, Wohltätigkeit einen moralischen Akt und nicht im Sozialstaat, der sich durch Zwang und Gewalt definiert. Die Erhöhung des Menschen durch moralisches Handeln kann nur in Eigenverantwortung erfolgen und dafür braucht es die Freiheit diese auch auszuüben. Wo keine Freiheit existiert, existiert auch keine Moral. Libertäre sind davon überzeugt, dass eine Gesellschaft, die auf Freiwilligkeit beruht, und die den Menschen ein Opfer als Motiv charakterlicher Entwicklung auferlegt, wahre Solidarität hervorbringt. Im Gegensatz zum Sozialstaat, der durch seine Vergemeinschaftung der Eigenverantwortung durch Gewalt diesen Instinkt bei den Menschen mangels individueller Anwendung verkümmern lässt. Der Sozialstaat stellt demnach ein Paradoxon dar: seine Existenz macht eine Gesellschaft unsozialer.
Die Erhöhung des Menschen
Das Nichtaggressionsprinzip ist mehr als reine libertäre Dogmatik. Es ist noch nicht einmal einzigartig für westliche Philosophien. Mahatma Gandhi entwickelte eine Philosophie, welche er „Satyagraha“ nannte. Übersetzt bedeutet dies so viel wie „unumstößliches Ideal“, was den Kerngedanken ausdrücken soll. Die Satyagraha beinhaltet genau wie der Libertarismus das Nichtaggressions- oder Nichtgewaltprinzip. Doch dort, wo Libertäre die Selbstverteidigung als Abwehr von Aggression noch als statthafte Gewalt anerkennen, geht die Philosophie Gandhis noch einen Schritt weiter und weist an dieser Stelle eine starke Gemeinsamkeit mit einem christlichen Motiv auf. Das zweite Element der Satyagraha ist das Ertragen von Schmerz und Leid, gerade durch Akte der Gewalt, nicht also die Gegengewalt in Selbstverteidigung, da, gemäß Gandhi, Gewalt nur zu Gegengewalt führe. Der Aufruf der Satyagraha geht also über reinen Gewaltverzicht hinaus und richtet sich auf ein Aufhalten des Kreises der Gewalt durch das Individuum, indem es diese auf sich nimmt und nicht fortführt. Dem Initiator der Gewalt soll Gelegenheit zur Abkehr von seinem Pfad gegeben werden und was immer es an Opfern bedarf, um dies zu erreichen, soll der Anhänger der Philosophie durchleben.
Man erkennt an dieser Stelle, welche geistige Ebene dafür nötig ist, die mit nichts Geringerem, als „Erleuchtung“ beschrieben werden kann. Im Westen kennt man dieses Motiv als Christus, welcher nach seiner Passion an das Kreuz geschlagen wird. Die folgende Auferstehung stellt eine Metapher dar, dass der Geist nun eine höhere Bewusstseinsebene erreicht und Triumph über das Böse erlangt hat, da dieses nur den Körper fordern kann. Hierhin sollte der Punkt zur Opferbereitschaft leiten. Sozialromantiker fordern von den Mitgliedern der Gesellschaft ein Opfer für ein Ziel, welches nur Leid und Elend zum Ergebnis hat. Das versprochene Paradies ist eine Verführung dem Pfad der Gewalt zu folgen, um der Macht einiger weniger zu dienen. Es ist ein einfacher Weg, ein schneller Weg, der in nichts anderem, als im Leid mündet und den Menschen auf seine niedersten Triebe und Instinkte degradiert, um ihn gefügig und beherrschbar zu machen. Das Nichtaggressionsprinzip ist ein schwerer Pfad, der im gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft ein großes Opfer fordert, will man ihn zu Ende gehen. Doch er bietet dem Einzelnen ein moralisches Ziel, welches als Leuchtfeuer für andere dienen kann, und eine Idee verbreitet, die an das wahre Gute im Menschen appelliert. Eine charakterliche Erhöhung und ein Streben nach einer Vollkommenheit, welche das Materielle überwindet. Hier mögen auch diejenigen ein Motiv im Libertarismus finden, denen es nach spirituellen Weltanschauungen sehnt.
Fazit
Aufklärung war zu keinem Zeitpunkt ein leichter Weg, auch ist es kein Weg der Masse, denn die Masse der Menschen ist faul und feige. Die Konfrontation mit dem Nichtaggressionsprinzip führt daher vielen Menschen schmerzlich vor Augen, welches Opfer die Aufklärung erfordert und wenige sind bereit diesen Weg zu gehen. Doch nur in diesem individuellen Opfer liegt die Erhöhung des Menschen. Voluntarismus beschreibt eine Gesellschaft, die nicht auf der Organisation von Gewalt zur Herstellung eines romantisierten Gesellschaftsideals durch einen Staat fußt, sondern auf Eigenverantwortung und freiwillige Kooperation, welche die gesellschaftliche Ordnung spontan und dynamisch entstehen lassen. Es ist ein Bekenntnis zum Guten im Menschen und ein Vertrauen in sein Streben sich selbst zu verbessern. Libertäre lehnen ein Menschenbild ab, welches auf der Organisation und Ausübung von Gewalt beruht, weil sie davon überzeugt sind, dass in Freiheit und Eigenverantwortung das Beste im Menschen, sei es individuell oder gesellschaftlich, gefördert wird. Sie spielen sich nicht als allwissend beim Lösen menschlicher Probleme auf, sondern haben Vertrauen in diese Kräfte, kanalisiert auf dem Markt, dem Hort menschlicher Interaktionen, für alles irgendwann eine Lösung zu finden, von der sie nicht zu träumen wagen. Ein Vertrauen in den Fortschritt und in die Menschheit.
Julian Schloddarick
ist Mitbegründer und Bundesvorsitzender der
Partei DIE LIBERTÄREN